Ist „Stromklau” ein Kündigungsgrund?
Es gibt sie in fast jedem Mehrfamilienhaus: Steckdosen in Kellerräumen, Dachgeschossen oder (seltener) Treppenhäusern, die für alle Bewohner zur Verfügung stehen und über einen separaten Stromzähler für Hausstrom laufen. An einer solchen Dose haben Mieter im Raum Leverkusen mindestens 10-mal ihr Elektroauto aufgeladen – im Grunde zahlte somit das gesamte Haus für ihre Tankfüllungen. Als das Vorgehen auffiel, gab es erwartungsgemäß Ärger. Mehrere Mitbewohner beschwerten sich, der Vermieter der Elektroauto-Nutzer sprach eine fristlose und zusätzlich eine fristgerechte Kündigung aufgrund des “Stromdiebstahls” aus. In seinen Augen war das Vorgehen so dreist, dass die Mieter nicht mehr länger im Haus wohnen könnten – auch in Hinsicht auf die verärgerten Mitbewohner.
Die „Stromklauer” gaben unumwunden zu, ihren Hybrid-PKW mindestens 10-mal an der Hausstromsteckdose geladen zu haben. Sie versprachen, dies in Zukunft nicht mehr zu tun und boten der Hausgemeinschaft eine pauschale Zahlung von 600 Euro an, um die Kosten für den genutzten Strom zu begleichen und den Hausfrieden wieder herzustellen. Dennoch war der Kläger nicht bereit, den Mietvertrag fortzuführen.
Das Amtsgericht Leverkusen beschäftigte sich im Mai 2024 mit dem Fall und urteilte zugunsten der „Stromdiebe”. Im Urteil gingen die Richter davon aus, dass die tatsächlichen Kosten für das Laden des Fahrzeugs auf unter 50 Euro zu beziffern seien. Die Beklagten wollten u.a. durch das Angebot, 600 Euro zu zahlen, den Schaden wiedergutmachen und eine Wiederholungsgefahr bestünde nach Ansicht des Gerichts nicht. Alle Kündigungen des Klägers wurden für unwirksam erklärt, unter anderem da der fristlosen Kündigung keine Abmahnung vorausgegangen war. Zwar sei die unberechtigte Nutzung von Hausstrom durchaus ein möglicher Kündigungsgrund, jedoch nur dann, wenn der Hausgemeinschaft ein beträchtlicher Schaden entsteht. Dies wurde von deutschen Gerichten in anderen Fällen bejaht, in denen Bewohner z.B. über längere Zeiträume ihre Badezimmer mit Hausstrom beheizt hatten. Im Fall der Elektroauto-Nutzer bewertete das Gericht den “Stromdiebstahl” aber als zu gering, um den Hausfrieden unwiederbringlich zerstören zu können. Im Übrigen betonte es im Urteil: Das Kündigungsrecht diene nicht der Bestrafung von Mietern.