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Freitag, 1 November 2024
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Deutsche und Spanier sichern Nato-Ostflanke

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Von Alexander Welscher, dpa

Ämari (dpa) – Mit ohrenbetäubendem Lärm steigen die Kampfflugzeuge steil in den wolkenverhangenen Himmel über Estland auf. Donnernd hebt zunächst ein Eurofighter der deutschen Luftwaffe von der Startbahn des Militärflughafens Ämari ab, kurz danach folgt ein spanischer Eurofighter. Ihr gemeinsamer Auftrag beim «Nato Air Policing»: Der Schutz der an Russland grenzenden Nato-Mitglieder Estland, Lettland und Litauen, die keine eigenen Luftstreitkräfte besitzen. Erstmalig patrouillierten deutsch-spanische Alarmrotten dabei zusammen – und sicherten von Ende August an für fast drei Wochen lang Flügel an Flügel den Luftraum über dem Baltikum.

Der verzahnte Flugbetrieb steht aus Sicht der Bundesregierung als beispielgebend für eine engere Kooperation in Europa beim Schutz vor Bedrohungen aus der Luft. Diesem Ziel dient auch das von Kanzler Olaf Scholz angestrebte Luftverteidigungssystem, das er vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine gemeinsam mit europäischen Nachbarn aufbauen will. Ein erster Schritt dazu soll nun am Rande des Treffens der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel mit der Unterzeichnung einer Absichtserklärung getan werden.

Die leitende Idee hinter beiden Initiativen: Gemeinsam effizient und interoperabel die Luftverteidigung von Europa sicherstellen. Wie das gehen könnte, verdeutlicht die Luftraumüberwachung in Estland, die die Luftwaffe Anfang August zum neunten Mal übernommen hat – für insgesamt neun Monate. Dabei absolvierten die Eurofighter-Besatzungen aus Deutschland und Spanien zeitweise zusammen Schutzflüge, um russische Flugzeuge zu identifizieren. Nach Angaben der Bundeswehr mussten die gemischten Rotten zweimal zu «Alpha Scrambles» genannten Alarmstarts aufsteigen. Dazu kamen zahlreiche Trainingseinsätze.

Was ist der Quick Reaction Alert?

«Man sieht die Piloten, man schaut den Piloten sprichwörtlich ins Auge dabei», schildert ein Luftwaffen-Pilot im Rang eines Majors seine Erfahrungen von den Abfangmanövern in mehreren Tausenden Metern Höhe über der Ostsee. Je ein deutscher und spanischer Kampfjet starteten gemeinsam im Falle einer Alarmierung durch die Nato. Ausgelöst wird der sogenannte Quick Reaction Alert (QRA) immer dann, wenn sich Flugobjekte unangemeldet und ohne sich erkennen zu geben dem estnischen Luftraum nähern – und damit auch der Nato-Grenze.

Zu brenzligen Situationen in der Luft sei es trotz Russlands Krieg in der Ukraine aber bislang nicht gekommen. Zumeist agierten russische Piloten kooperativ, wenn die Eurofighter an sie heranfliegen und Sichtkontakt herstellen. «Beide Seiten verhalten sich da höchst professionell», erzählt der deutsche Soldat. So werde sich etwa zugewunken oder militärisch gegrüßt. Dennoch sei es «etwas nicht Alltägliches, wenn man dort neben dem anderen Flugzeug fliegt».

Meistens handele es sich um russische Militärflugzeuge, die zwischen St. Petersburg und der russischen Ostsee-Exklave Kaliningrad um das frühere Königsberg unterwegs sind. Wollen sie ihre Stützpunkte auf dem Luftweg erreichen, führt die Route nördlich von Estland durch einen schmalen, engen Korridor über dem Golf von Finnland. Nirgendwo anders kommen sich die Streitkräfte der Nato und Russlands so nahe wie dort im internationalen Luftraum über der Ostsee.

Ein Hauptziel der Zusammenarbeit war das «Plug&Fight»

«Es ist wichtig, jetzt dieses starke Signal zu setzen, dass die Nato-Luftwaffen hier sind an der Nato-Ostflanke», betonte der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz, bei einem Truppenbesuch im Ämari. Für ihn sendete der gemeinsame Einsatz in Estland mit Spanien ein klares Zeichen der Bündnissolidarität. «Gerade jetzt in dieser Zeit mit dem Krieg in der Ukraine hat das natürlich eine ganz besondere Bedeutung.» Signalisiert werden solle damit: «Die Grenze ist die rote Linie – und die darf nicht überschritten werden.»

Doch Grenzen in der Luft aufzeigen ist mit großen Aufwand am Boden verbunden. Für den Einsatz sind fünf Eurofighter und rund 140 deutsche Soldaten auf der rund 50 Kilometer südwestlich von Estland Hauptstadt Tallinn gelegenen Militärbasis in Ämari stationiert. Unterstützt wurden sie zwischenzeitlich bei ihrer Aufgabe von vier Eurofightern und 60 Soldaten der spanischen Luftwaffe.

Ein Hauptziel der deutsch-spanischen Zusammenarbeit war das sogenannte «Plug&Fight», bei dem die gemeinsame Nutzung von Technik und Wartung der teils baugleichen Flugzeuge beider Länder praktiziert wird. So wurden die spanischen Eurofighter in Ämari etwa überwiegend von deutschen Technikern instand gesetzt und von deutschen Tankwagen mit Flugbenzin versorgt. Dies soll die Interoperabilität steigern und beiden Nato-Partnern Personal und Kosten sparen.

Pilotenausbildung innerhalb der Nato weitgehend standardisiert

«Es ist erstmalig, dass wir die Ersatzteile gegenseitig austauschen, dass die spanische Luftwaffe unsere Bewaffnung übernimmt», verweist Gerhartz auf die enge Kooperation. «Das ist ein hohes Maß, ein hoher Grad der Verschränkung.» Auch Spaniens Luftwaffenchef, General Javier Salto, lobt die deutsch-spanische Zusammenarbeit in höchsten Tönen – und spricht von einem «Qualitätssprung sowohl im operativen als auch im logistischen Bereich». Die Luftstreitkräfte seien stärker durch die Zusammenarbeit, betonte er nach einem Treffen mit Gerhartz.

Das «Plug&Fight»-Konzept wurde zuvor bereits mit Großbritannien und Italien umgesetzt. Nach Angaben von Soldaten lief die Kooperation in Estland am Boden reibungslos. Und auch in der Luft habe es keinerlei Probleme gegeben: Die Pilotenausbildung sei innerhalb der Nato weitgehend standardisiert und so mancher deutscher Flieger einst in Spanien am Eurofighter geschult worden, betont die Luftwaffe.

«Wir konnten den Mission Output fast verdoppeln gegenüber dem, was wir als einzelne Nationen erwarten», zieht Oberstleutnant Georg Hummel, der das deutsche Einsatzkontingent in Ämari führt, ein positives Fazit der bis Mitte September erfolgten Zusammenarbeit an der Nato-Ostflanke. Die Spanier konnten demnach etwa ihren Logistik- und Personalaufwand um rund 65 Prozent reduzieren. «Für uns ist es also ein großer Erfolg, und ich denke, es ist auch ein großer Erfolg für die Nato.»

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