Aus der „Kür“ wird bald Pflicht!
„Barrierefreies Internet“ umschreibt im Grunde, dass auch Menschen mit Beeinträchtigungen Webseiten und andere Online-Inhalte nutzen können. Dafür hält die Technik zahlreiche „Tricks“ bereit. Inzwischen haben die meisten Betriebssysteme und Internetbrowser Module, die mit wenigen Mausklicks Textelemente auf einer Webseite vergrößern oder von einer synthetisch generierten Stimme vorlesen lassen können. Diese Funktionen garantieren jedoch nicht in allen Fällen eine einwandfreie Nutzbarkeit durch Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen. So kann das Vergrößern von Schriften gerade bei älteren Seiten das Layout durcheinanderwirbeln, was die Übersichtlichkeit beeinträchtigt. Zahlreiche Fotos oder Grafiken mit verständnisrelevanten Inhalten können zudem nicht für blinde Nutzer „vorgelesen“ werden. Zwar arbeiten Forscher aktuell an „künstlicher Intelligenz“, welche visuelle Inhalte erkennen und beschreiben kann – im aktuellen Stadium hilft jedoch am verlässlichsten, bei der Programmierung einer Seite „Alternativtexte“ für verwendete Grafiken und Bilder einfließen zu lassen, welche dann von einer künstlichen Stimme vorgelesen werden können.
Auch für Menschen mit eingeschränktem Hörvermögen gibt es technische Fortschritte: In Videos gesprochene Sätze können inzwischen durch künstliche Intelligenz in „geschriebene Worte“ umgewandelt werden. Auf Videoplattformen wie Youtube entstehen so jeden Tag automatisch erzeugte Untertitel für tausende von neu hochgeladenen Clips – diese sind in den meisten Fällen zwar nicht komplett fehlerfrei, erlauben aber meist, die gesprochenen Inhalte halbwegs nachzuvollziehen.
Wer beim Gestalten von Online-Inhalten größtmögliche Barrierefreiheit erreichen will, muss zahlreiche Facetten im Fokus haben. Gerade soziale Einrichtungen nutzten in den vergangenen Jahren auf ihren Kanälen bereits viele der obengenannten „Tricks“. Wer diesbezüglich aktiv wurde, tat dies jedoch oft freiwillig. Aktuell müssen nur von Behörden betriebene oder staatlich finanzierte digitale Angebote gewisse Vorschriften erfüllen. Ab 2025 wird die „Kür“ für viele andere zur Pflicht: Laut dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) müssen dann u.a. auch die meisten Online-Shops, E-Book-Systeme, Bankdienstleister und Endgeräte im Telekommunikationsbereich „hürdenfrei“ sein. Wer in diesem Bereich bereits elektronische Inhalte anbietet, sollte frühzeitig prüfen, ob diese sich aktualisieren lassen oder ob eine komplett neue “Kreation“ der sinnvollere Weg ist.
Das Thema „Barrierefreie Online-Inhalte“ ist nicht nur eine Sache von “Sehen und Hören“, sondern auch von „Verstehen“. Für Menschen, deren Handicaps eher im geistigen Bereich angesiedelt sind, lassen manche Betreiber ihre digitalen Angebote „übersetzen“. Auf der Startseite der regulären Homepage befindet sich dann z.B. eine Auswahlmöglichkeit für „Leichte Sprache“ – diese kann zu einer alternativen Version der Internetseite führen, auf der die wichtigsten Inhalte auf besonders einfache Weise erklärt werden.