Von Gregor Tholl, dpa
Berlin/Sundern (dpa) – O Tannenbaum, o Tannenbaum, wie früh sind deine Käufer: Millionen Haushalte in Deutschland stellen den Weihnachtsbaum heutzutage viel zeitiger auf als dies hierzulande in vergangenen Jahrzehnten Tradition gewesen ist.
Schon Wochen vor dem Fest stehen Lichterbäume heutzutage nicht mehr nur auf Weihnachtsmärkten, in Geschäften, Büroräumen oder öffentlichen Foyers, sondern auch in Wohnzimmern, also guten Stuben.
«Früher war das letzte Wochenende vorm Fest bei den meisten der Termin, an dem man den Baum kaufte, jetzt ist es eher der Zweite oder Dritte Advent», sagt Eberhard Hennecke vom Bundesverband der Weihnachtsbaum- und Schnittgrünerzeuger (BVWE) der Deutschen Presse-Agentur. Zweiter Advent ist an diesem Wochenende (3./4.12.).
Früher kaufen, früher entsorgen
«Das letzte Jahrzehnt hat diesen Trend intensiviert und richtig in Fahrt gebracht, also dass man sich sehr früh den Weihnachtsbaum holt und auch früh entsorgt», sagt Hennecke, erster BVWE-Vorsitzender.
Deutschland passt sich in gewisser Weise vielleicht auch nur internationalen Bräuchen an. In den USA zum Beispiel stellen viele den Weihnachtsbaum schon kurz nach Thanksgiving auf (Ende November).
Während der Christbaum noch in den 80ern, 90ern und Nullerjahren in der Bundesrepublik meist bis zum Dreikönigstag, also dem 6. Januar, stehenblieb, werde er heute oft schon zwischen den Jahren oder kurz nach Silvester entsorgt, sagt Hennecke, der in seinem Forstproduktebetrieb seit mehr als 30 Jahren Weihnachtsbäume anbaut.
Aktuell ergab eine Umfrage des Portals «Statista», dass nur noch 12 Prozent der Weihnachtsbaumkäuferinnen und -käufer bis zum 24. Dezember warten, um den Baum aufzustellen. Mehr als die Hälfte der Befragten stellt den Baum dagegen schon Anfang bis Mitte Dezember auf. 33 Prozent der Befragten platzieren und schmücken den Tannenbaum «wenige Tage vor Heiligabend».
Weihnachtskultur im Wandel
In den 70ern war Aufstellen und Schmücken des Tannenbaums an Heiligabend wohl noch Normalfall und wichtiger Programmpunkt. In Loriots Sketchfolge «Weihnachten bei Hoppenstedts» von 1978 sagt der Vater (Heinz Meier) jedenfalls: «Jetzt wird erst der Baum fertig geschmückt, dann sagt Dicki ein Gedicht auf, dann holen wir die Geschenke rein, dann sehen wir uns die Weihnachtssendung im Ersten Programm an, dann wird ausgepackt, und dann machen wir’s uns gemütlich…»
Jedes Jahr werden etwa 27 Millionen Weihnachtsbäume in Deutschland verkauft bei einem Umsatz zwischen 500 und 550 Millionen Euro.
Weihnachtsbaum-Erzeuger Hennecke in Sundern im Hochsauerland sagt: «Früher gab es in der Adventszeit mehr Geduld, heute lebt man wochenlang in das Weihnachtsfest hinein.»
Außerdem habe die Corona-Pandemie und die Politik der Kontaktbeschränkungen in den letzten Jahren bei vielen den Wunsch nach einem heimeligen Zuhause bestärkt und auch dazu geführt, es sich rechtzeitig mit einem Baum in kleiner Gemeinschaft schön machen zu wollen. Da es weiterhin offensichtlich schwierige Zeiten gebe, sehe er kein Ende dieses Bedürfnisses, sagt Hennecke.
Weihnachten in Krisenzeiten
Erst kürzlich ergab eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur, dass mehr als die Hälfte der Verbraucherinnen und Verbraucher in diesem Jahr angesichts der hohen Energie- und Lebensmittelpreise weniger rund um Weihnachten ausgeben möchte.
Dazu gehören neben der Überlegung, weniger Geld in Geschenke oder Essen zu stecken, auch der Vorsatz, 2022 auf einen Weihnachtsbaum zu verzichten oder zumindest ein kleineres Exemplar zu kaufen.
Die Baum-Preise für Weihnachtsbäume bleiben dieses Jahr wohl ungefähr auf Vorjahresniveau. Allerdings könnte sich das 2023 ändern, unter anderem weil Personal fehle und mehr und mehr Erzeuger aufhören könnten. Bislang ist Deutschland der größte Weihnachtsbaumproduzent in Europa.