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Dienstag, 23 Juli 2024
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Inklusion als TV-Format?

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„Zum Schwarzwälder Hirsch“ – eine Fernsehkritik

Können 13 Menschen mit Down-Syndrom – die meisten im jugendlichen Alter – einen Monat lang ein Gasthaus bewirtschaften? Diese Frage stellte der Fernsehsender VOX Mitte Oktober in seiner dreiteiligen Doku-Serie „Zum Schwarzwälder Hirsch“. Zur Seite standen den Protagonisten während einer zweimonatigen Vorbereitungszeit Experten für Restaurantbetrieb, darunter TV-Koch Tim Mälzer.

Was die Serie gut zeigt: Wenn Menschen mit Beeinträchtigung zusammenarbeiten, gibt es – wie überall im Berufsleben – große Unterschiede, wie mit unvorhergesehenen Belastungen umgegangen wird. Das „Lampenfieber“ vor der Lokaleröffnung setzt einigen der Mitarbeiter so zu, dass sie im „wichtigsten“ Moment erkranken und ausfallen. Doch wie am ersten Arbeitsmarkt kristallisieren sich auch hier Leistungsträger heraus, welche spontan in Bereichen einspringen, für die sie nicht trainiert wurden. Nicht selten geschieht dies z.B. zur Verwunderung derer Eltern, welche ihrem Nachwuchs solches Verhalten nicht zugetraut hätten.

Stellenweise beweisen die Produzenten ein Fingerspitzengefühl, welches im Fernsehgeschäft nicht überall zu finden ist. So werden einzelne von den Protagonisten geäußerte Sätze zur besseren Verständlichkeit als Text eingeblendet – allerdings nicht wie klassische Untertitel, sondern in großen peppigen Schriften, wodurch die Maßnahme eher wie ein visuelles Stilmittel wirkt. Gleichzeitig werden aber auch Knackpunkte nicht verschwiegen: Das oft mit dem Down-Syndrom einhergehende suboptimale Gefühl für Zahlen bereitet der Restaurantcrew z.B. beim Kassieren große Schwierigkeiten. Im TV werden deshalb die Lokalgäste gebeten, beim Zahlvorgang „zu helfen“. Ob sich auf dem ersten Arbeitsmarkt Inklusion mit solchen Kniffen umsetzen ließe, können erfahrene Gastronomen sicher besser beurteilen als der Autor dieses Artikels. Letzterer sieht die Sendung jedoch mit den Augen eines langjährigen Fernsehmachers.

Dass sogenannte Doku-Serien nur bedingt realistisch sind, sollte inzwischen bekannt sein – auch hier wird den Protagonisten nicht selten ein gewisses Verhalten vorgegeben, zudem agieren viele Menschen im Beisein von Kameras ohnehin anders als sonst. Die VOX-Sendung spricht letzteres auch direkt an – die gewählten Perspektiven lassen zudem vermuten, dass oft aus der Distanz gefilmt wurde, um möglichst natürliche Reaktionen einzufangen. Stellenweise scheinen die Redeanteile in den Folgen ungleich verteilt: Tim Mälzer und die anderen Betreuer liefern längere Kommentare, während von den Menschen mit Beeinträchtigung nur kurze situative Wortfetzen zu hören sind. Das lässt den Inklusions- und Gleichstellungsgedanken manchmal in den Hintergrund treten.

Leider setzt „Zum Schwarzwälder Hirsch“ regelmäßig auf die überstrapazierten Stilmittel anderer Doku-Formate im Privatfernsehen. Gerade Menschen mit Down-Syndrom bringen ihre Gefühle aber oft relativ „ungefiltert“ zum Ausdruck – deshalb bräuchte es keine über-emotionale Hintergrundmusik oder dramatische Bildschwarzblenden, um diese Emotionen zu transportieren. Alles in allem kommt die Serie zwar als „durchwachsenes Menü“ daher, es ist jedoch sehr zu begrüßen, dass diese Idee überhaupt im Fernsehen serviert wird.

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