Damit der Nachwuchs nicht zu Stubenhockern wird
„Braucht es wirklich einen solchen Artikel?“, frage ich mich beim Verfassen dieser Zeilen. Meine eigenen Beobachtungen in jüngster Zeit deuten eher auf das Gegenteil hin: Wenn ich unterwegs bin, sehe ich verstärkt Nachwuchs, der gefühlt „Hummeln im Hintern“ hat. Für jeden Schritt, den die Eltern im öffentlichen Raum machen, absolviert er mindestens 9 Schritte – nach vorne, hinten und seitwärts. Das sind Kinder, die auf jedes Mäuerchen oder Treppengeländer klettern, das ihnen entgegenkommt. In der nicht gerade sauberen Unterführung machen Mädchen an jeder Betonsäule einen Handstand, in überfüllten U-Bahnen spielen Grundschüler Fangen zwischen den Haltestangen. Bei derart viel „Lust auf Bewegung“, welche an passenden und unpassenden Orten demonstriert wird, frage ich mich manchmal, wie leicht diese Kinder umschalten können – z.B. in einen Modus, wo Gliedmaßen ruhen und vorrangig graue Zellen aktiv sein sollen…
In starker Diskrepanz zu meinen subjektiven Eindrücken stehen Statistiken, welche andere Tendenzen belegen: So untersucht zum Beispiel die MoMo-Studie des Robert-Koch-Instituts regelmäßig die motorische Leistungsfähigkeit und körperlich-sportliche Aktivität von Kindern und Jugendlichen. Seit der ersten Erhebung 2003 stagniert die Fitness in diesen Altersgruppen auf einem niedrigen Bereich, wobei Teilnehmende mit „niedrigem sozialen Status“ bei Tests prinzipiell schlechter abschneiden.
Gerade Nachwuchs mit höherem Medienkonsum würde sich tendenziell weniger bewegen, auch der Leistungsdruck in der Schule wird jedoch von manchen Experten als Grund für Bewegungsmangel gesehen. „Die MoMo-Studie belegt, wie wichtig frühe Förderangebote in diesem Bereich sind“, betont der beteiligte Sportwissenschaftler Prof. Dr. Alexander Woll. „Mit einer 70-prozentigen Wahrscheinlichkeit wird aus einem übergewichtigen Kind ein übergewichtiger Erwachsener. Entwicklungsrückstände, die ein Kind in der Motorik aufbaut, bleiben häufig über eine lange Lebensspanne bestehen.“
Andere Untersuchungen zeigen ebenfalls Mankos auf: Nur noch vier von zehn Kindern können bei ihrer Einschulung einen Purzelbaum schlagen. Eine Erhebung der DLRG aus dem Jahr 2022 ergab, dass rund 20 Prozent der 6- bis 10-Jährigen nicht schwimmen können – ein Wert, welcher sich seit 2017 quasi verdoppelt hat.
Es herrscht also Handlungsbedarf, um die „Lust auf Bewegung“ zu fördern. Viele Seiten betonen dabei: Die Möglichkeit, aktiv zu werden, dürfe nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen. „Aber Rumtoben kann man doch scheinbar auf jeder Mauer am Wegesrand“, möchte ich da entgegnen – von zahlreichen kostenlos nutzbaren Spielplätzen ganz zu schweigen. Aber selbst dorthin muss der Nachwuchs wohl erst mal gelangen… Dass ich die Kinder und Jugendlichen, welche sich laut Studien wenig bewegen, nie körperlich-aktiv auf der Straße sehe, ist irgendwie auch logisch: Der Name „Stubenhocker“ kommt ja nicht von ungefähr!