Letzter Wille trifft Bierdeckel
In deutschen Kneipen entstanden schon viele Ideen – neben einigen „Schnapsideen“ waren durchaus auch gute Einfälle darunter. Und für so manche Idee wurden – zumindest laut der im Nachhinein erzählten Legende – auch mal Bierdeckel oder Servietten als Notizzettel zweckentfremdet. Auf derartig improvisierten Unterlagen wurden in Wirtschaften sogar schon Vermögen vererbt. Das Oberlandesgericht Oldenburg beschäftigte sich vor einigen Monaten mit einem Fall, in dem ein Mann seine langjährige Lebensgefährtin, mit welcher er nicht verheiratet war, als Alleinerbin eingesetzt hatte. Der Verblichene hatte eine klassische Dorfkneipe betrieben, welche ihm gehörte. Das Testament fand die Frau an einer Stelle bei der Theke, wo ihr verstorbener Partner auch unbezahlte Rechnungen und Bierdeckel aufbewahrte. Auf dem Zettel eines Bestellblocks mit Brauereilogo hatte er handschriftlich nur einen Satz notiert: „Schatzi bekommt alles“ – anstelle „Schatzi“ nannte er den Spitznamen seiner Lebensgefährtin, darunter unterzeichnete er mit Datum.
Als die Frau auf Basis dieses „letzten Willens” den Erbschein zu ihren Gunsten beantragte, versuchten die Neffen als einzig lebende Verwandte des Verstorbenen, dagegen vorzugehen. Der Fall landete schließlich vor dem Oberlandesgericht. Dort sahen es die Richter als erwiesen an, dass es sich bei dem Dokument um ein wirksam errichtetes Testament handelte. Die ungewöhnliche Papierart machte das Dokument nicht automatisch unwirksam, ebenso nicht die Tatsache, dass die Worte „Schatzi kriegt alles“ nicht mit „Testament“ o.ä. überschrieben waren. Es wurde als plausibel angesehen, dass der Verstorbene, welcher sich zu Lebzeiten niemals besonders um Schriftverkehr gekümmert habe, einen Kneipenblock für seinen „letzten Willen“ genutzt hatte und diesen dort verwahrte, wo er üblicherweise wichtige Unterlagen wie „unbezahlte Deckel“ aufbewahrte. Diversen Schilderungen nach war die Theke für den Verstorbenen eine Art Wohnzimmer, wo er sich auch regelmäßig aufhielt, wenn die Gaststätte geschlossen war. Die nicht besonders ausführliche Wortwahl im Testament führten die Richter darauf zurück, dass der Verstorbene zu Lebzeiten keinen „besonders hohen Bildungsgrad“ erworben hatte. Auch der Vergleich der Handschrift mit anderen Schriftproben des Verblichenen war stimmig. Eine Augenzeugin schilderte zudem, dass der Mann mehrfach mündlich den Wunsch geäußert habe, seiner Partnerin alles zu vererben. Die Zeugin habe ihm daraufhin erklärt, dass er das dann auch aufschreiben müsse.
Bemerkenswert ist an diesem Fall die große Diskrepanz der Textmengen: So sorgte der Verstorbene mit seinem aus nur drei Worten bestehenden Testament für ein Urteil des Oberlandesgerichtes, welches mehrere DINA4-Seiten füllte. Die als Erbin eingesetzte Lebensgefährtin hätte sich einiges an juristischem Aufwand sparen können, hätte es sich der Verstorbene bei seinem „letzten Willen“ nicht derart einfach gemacht.