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Sonntag, 3 November 2024
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Massenweise «Miss»: Vietnams Geschäft mit der Schönheit

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Von Carola Frentzen und Bac Pham, dpa

Hanoi (dpa) – Mit Freudentränen in den Augen und glitzernden Krönchen auf dem Kopf bedanken sich Dinh Nhu Phuong und Kim Ngan graziös bei Juroren und Publikum. Die jungen Frauen sind gerade bei Schönheitswettbewerben in Vietnam zur «Miss» gekürt worden. Das Besondere: Die Finalshows von «Miss Vietnam Sea and Island 2022» und «Miss Global Vietnam 2022» wurden fast zeitgleich abgehalten – ein Zeichen dafür, wie sich die Zahl der «Beauty Contests» im Land am Mekong seit einiger Zeit wundersam vermehrt hat. «Zwei Schönheitsköniginnen in einer Nacht – ist das nicht etwas zu viel?», titelte die Zeitung «VnExpress» am nächsten Tag.

Damit sprach das Blatt vielen Vietnamesen aus dem Herzen. Denn das lukrative Geschäft mit den Misswahlen ufert zunehmend aus. Vor zehn Jahren gab es gerade einmal eine Handvoll Wettbewerbe, die das Volk auch beim Namen kannte. Darunter die prestigeträchtigen Titel «Miss Vietnam» und «Miss Universe Vietnam», bei dem die Teilnehmerin am globalen «Miss Universe»-Wettbewerb ermittelt wird. Und heute? In diesem Jahr wurden vom Kulturministerium bisher bereits 22 Misswahlen offiziell zugelassen. Die Namen der Veranstaltungen sind dabei größtenteils ebenso obskur wie der Sinn der schillernden Spektakel.

Glanz und Glamour überall

«Früher habe ich mir diese Shows angeschaut, um den Glanz und Glamour zu sehen, aber jetzt sind es zu viele, als dass ich noch mithalten könnte», schrieb Facebook-Userin Trinh Nguyen. Ein anderer meinte: «Zwei Beauty Queens in einer einzigen Nacht sind zu viel. Ich habe von “Miss Vietnam Sea and Island” und “Miss Global Vietnam” überhaupt noch nie gehört.» Ein Dritter witzelte: «Wenn das so weitergeht, dann werden in ein paar Jahren alle vietnamesischen Männer eine Gewinnerin oder eine Zweitplatzierte eines Schönheitswettbewerbs heiraten.»

Aber woher rührt der Boom? «Das liegt unter anderem daran, dass die Regierung 2020 neue Regeln verabschiedet hat», sagte der Historiker und Journalist Duong Trung Quoc, der bei «Miss Vietnam Sea and Island» in der Jury saß. Alle Provinzen hätten mittlerweile das Recht, Misswahlen zu organisieren. «Wir haben 63 Provinzen, und alle dürfen jetzt Wettbewerbe durchführen.» Die meisten würden von privaten Unternehmen finanziert. «Aber sie bringen wirtschaftliche Vorteile für ganze Regionen, vor allem in puncto Tourismus und Investitionen», sagte Quoc der Deutschen Presse-Agentur.

Licht und Schatten

Vor allem aber wollen die Sponsoren ihren Teil des Kuchens abbekommen. «Wenn eine Miss gekrönt ist, dann wird sie oft das Gesicht der Firma, die den Contest bezahlt hat», sagt Quoc. Schlecht organisierte Shows führten aber auch dazu, dass die Veranstalter ihren Ruf verlieren könnten – und es dann keine Finanzspritzen für künftige Wettbewerbe mehr gebe. Wichtig sei es, «würdige» Schönheitsköniginnen zu finden, die zur Entwicklung des Landes beitragen und dessen Reputation stärken könnten. Und die den Titel «Miss» wirklich verdienten.

Aber genau da liegt der Knackpunkt, denn Quantität ist bekanntermaßen nicht gleich Qualität. «Obwohl es so viele Schönheitsköniginnen gibt, ist es immer noch sehr schwierig, qualifizierte Kandidatinnen zu finden, die das Land bei internationalen Wettbewerben repräsentieren können», hieß es in einem Kommentar der Online-Zeitung «VietnamNet». Die vietnamesischen Teilnehmerinnen an weltweiten Misswahlen zeigten oft mangelndes Selbstvertrauen und wirkten unreif und unerfahren. Denn es gehe schließlich nicht nur um den Körper und das äußere Erscheinungsbild, sondern auch um Intelligenz, Talente und Tugend.

Nackte Haut und lange Beine

Wer allerdings einen Blick auf den Bikini-Wettbewerb bei «Miss Sea and Island 2022» wirft, der sieht vor allem nackte Haut und lange Beine. Was sich hinter dem schönen Äußeren verbirgt, scheint eher irrelevant. «Die Zahl der Wettbewerbe steigt, aber ihre Qualität ist umstritten», sagt Nguyen Thuy Dung, die in der Hauptstadt Hanoi für eine Autofirma arbeitet und jahrelang die Shows mit Interesse verfolgt hatte. «Viele Kandidatinnen haben heute außer physischer Schönheit nicht viel zu bieten.»

Vor zehn Jahren kannte sie die Namen der Wettbewerbsgewinnerinnen noch auswendig, wie viele ihrer Landsleute auch. «Nach ihrem Sieg haben diese Schönheitsköniginnen viele positive Beiträge für die Gemeinschaft geleistet, so etwa bei Wohltätigkeitsaktivitäten», sagt Dung. Das sei jetzt anders. Man könne die vielen «Miss» kaum noch zählen. «Das Ganze ist aus der Balance geraten, und das ist nicht gut», meint sie.

Unter dem Artikel in der Zeitung «VnExpress» hagelte es derweil Kommentare. Das Thema bewegt die Vietnamesinnen und Vietnamesen ganz offensichtlich. «Ob Misswahlen oder Modelwettbewerbe, das ist eben ein schnellerer Weg für Frauen, ein besseres Leben und ein Einkommen zu erlangen», schrieb einer. «Es ist ein Geschäft wie jedes andere. Wen kümmert es, wie viele Shows es gibt?» Ein anderer beschwerte sich hingegen, das Ganze habe lächerliche Ausmaße angenommen und meinte, die Kandidatinnen sähen heute alle gleich aus. Ein Dritter feixte: «Ich finde Katzenausstellungen deutlich interessanter.»

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