Droht bald die Unterversorgung?
Der demographische Wandel macht auch vor Medizinern keinen Halt. Zahlreiche Hausärzte klagen über einen Mangel an Nachwuchs und setzen in letzter Konsequenz vermehrt auf das Modell eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ). In solchen oft von Investorengruppen betriebenen Einrichtungen arbeiten Mediziner als Angestellte ohne eigenes unternehmerisches Risiko – für viele durchaus eine reizvolle Alternative. Doch das ist für Hans Tylla aus Berngau, Dr. Matthias Drabe aus Neumarkt und Dr. Ingrid Schwarz-Aldorf aus Freystadt keine Option. Für die beiden hausärztlichen Internisten und die Fachärztin für Allgemeinmedizin ist der Beruf nicht bloß ein Job, sondern eine Berufung – obwohl der Ton zunehmend rauer, die Zeit für Patienten knapper bemessen und die „Ich brauche sofort einen Termin-Mentalität“ zunimmt. Der „Praxisinhaber als Einzelkämpfer“ benötigt neben einer Prise Idealismus und einer sozialen Ader auch die Erkenntnis, dass ein 8-Stunden-Tag reine Illusion ist. „Trotzdem wollte ich nie etwas anderes machen“, betont Hans Tylla.
Der Hausarzt als Lotse
Die freie Arztwahl erlaubt es, ohne Überweisung bei Schnupfen den HNO oder bei Pickeln den Hautarzt aufzusuchen. „Keine gute Idee“, sagen die drei Mediziner unisono, weil Bagatellerkrankungen nicht unbedingt in die Facharztpraxis oder in die Notaufnahme des Klinikums gehören. Erklärtes Ziel ist, dass der Hausarzt zentrale Anlaufstelle ist. Er bündelt sämtliche Befunde, sieht die Erkrankung im Gesamtkontext und empfiehlt eine optimale medizinische Versorgung oder die Weiterleitung zum Facharzt.
Doch bei Patienten, die zum Beispiel neu zugezogen und auf Hausarztsuche sind, macht sich Frust breit. Laut KVB sind die Landkreise Neumarkt und Parsberg mit einem Versorgungsgrad von 98,96 % bzw. 101,07 % sehr gut aufgestellt (Stand August 2022). Und trotzdem gibt es in den 16 Neumarkter Hausarzt-Praxen einen Aufnahmestopp, u.a. weil derzeit auch 8,5 Hausarzt-Stellen im ganzen Landkreis unbesetzt sind. „Um unseren aktuellen Patientenstamm noch betreuen zu können, sind Neuaufnahmen oftmals leider ausgeschlossen“, betont Matthias Drabe.
Die Gründe für den prinzipiellen Nachwuchsmangel sind vielfältig: Gerade junge Mediziner entscheiden sich oft für eine bessere Work-Life-Balance. Sie plädieren für geregelte Arbeitszeiten sowie Teilzeitstellen und wählen daher lieber ein Angestelltenverhältnis. Zudem dominiert mit 70 % der Frauenanteil bei den Studienanfängern – damit rückt auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf immer mehr in den Vordergrund.