Freizeitattraktionen nutzen eine uralte menschliche Fähigkeit
In den Osterferien erwachen wieder viele Freizeitparks aus dem “Winterschlaf” und Museen empfangen zahlreiche Besucher. Bei ersteren geht es vorrangig um Spaß, bei letzteren vor allem um die Erweiterung des geistigen oder kulturellen Horizonts. Dennoch gibt es in beiden Bereichen seit rund zwei Jahrzehnten einen spürbaren Trend zum sogenannten Storytelling – dem Erzählen von Geschichten, wie es quasi seit Beginn der Menschheit gepflegt wird.
Wenn man in den 1980er Jahren in einem Freizeitpark mit einer Achterbahn fuhr, erlebte man G-Kräfte in Aktion – nicht mehr und nicht weniger! Seit den 1990ern werden hingegen auch bei solchen Attraktionen verstärkt Geschichten erzählt: Durch passende Thematisierung wird der Fahrgast in eine fiktive oder historisch-angelehnte Welt versetzt – oft verbunden mit einer Rahmenhandlung, welche in der Warteschlange eingeführt wird. Die eigentliche Fahrt bildet dann den Höhepunkt der „Story“, z.B. ein Kampf gegen einen Drachen oder eine Expedition ins All.
In Museen sind die Themen im Grunde schon vorgegeben, dennoch können Besucher dank Storytelling auch hier verstärkt in die Materie eintauchen. Gerade wenn Familien angesprochen werden sollen, setzt man z.B. auf die Wissensvermittlung mit Hilfe von einprägsamen Charakteren, welche durch die Ausstellung begleiten. Das bedeutet nicht, dass die klassischen Vitrinen mit erklärenden Hinweistafeln ausgedient haben – Storytelling spinnt jedoch einen roten Faden zwischen den Exponaten und kann auch emotionale Verbundenheit schaffen. Derartige Ansätze gibt es inzwischen in zahlreichen Freizeitdestinationen – vom touristisch genutzten Salzbergwerk über den Dinosaurierwald bis hin zum Erlebnisbad mit thematisierten Bereichen. Die Grenzen zwischen reiner Unterhaltung und Horizonterweiterung wurden in den letzten Jahren immer fließender – oft spielen zudem interaktive Multimedia-Komponenten eine wichtige Rolle.
Es gibt natürlich Menschen, welche auf Inszenierungen dieser Art keinen Wert legen – ihnen reichen die reinen G-Kräfte der Achterbahn oder das pure Interesse an Exponaten aus. Und es gibt schlechtes Storytelling. welches an den Haaren herbeigezogen wirkt und vom eigentlichen Erlebnis oder den relevanten Informationen zu stark ablenkt. Gutes Storytelling hingegen gibt den Besuchern einen echten Mehrwert und lässt sie noch intensiver in ein Erlebnis eintauchen. Das Schlagwort der Branche lautet hier Immersion. Dafür werden verschiedene Techniken verwendet, die inzwischen auch für kleinere Touristenattraktionen erschwinglich sind. 2023 wurde sogar ein neuer Ausbildungsberuf geschaffen: Gestalter für immersive Medien lernen, wie sie Museen, Showrooms & Co. mit Hilfe von Videoprojektionen, Soundinstallationen oder Virtual Reality noch attraktiver machen können.
Wenn technische und dramaturgische Stilmittel geschickt eingesetzt werden, können Freizeitattraktionen durch Storytelling bleibende Eindrücke hinterlassen. Im Optimalfall antwortet der Grundschüler dann auf die Frage nach seinen Urlaubserlebnissen nicht z.B. knapp mit „Wir waren im Museum”, sondern er setzt selbst zu einer echten Geschichte an.


 
                                    
