Werbliche Weisheiten und wissenschaftliche Wahrheiten rund um Milch
Es dürfte unter anderem der „Macht“ der mehrfachen Alliteration zu verdanken sein, dass sich der erstmals in den 1950er Jahren in Deutschland verwendete Werbe-Slogan „Milch macht müde Männer munter“ zu einem echten Klassiker entwickelt hat. Auch heute wird dieser Spruch vielerorts noch zitiert oder persifliert. Die Centrale Marketinggesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft (CMA) brachte seit den 1970er Jahren selbst einige Abwandlungen der einprägsamen Werbeweisheit in den deutschen Sprachgebrauch ein, z.B. „Die Milch macht´s“ – wobei hier die Kreativen gerade mal eine einfache Alliteration zustande brachten.
Auch der Originalslogan wurde in den 1990er Jahren noch mal wiederbelebt, dessen Grundaussage ist jedoch damals wie heute nicht so einfach zu unterschreiben. Fakt ist: Milch enthält per se Bestandteile wie z.B. Eiweiß und Calcium, welche für viele Lebewesen im Wachstum wichtig sind. Das Bild vom Baby, welches an der Brust der Mutter säugt, kommt da unweigerlich in den Sinn. Dass in der westlichen Welt auch Erwachsene auf Milch und daraus hergestellte Erzeugnisse zurückgreifen, ist nach Ansicht mancher Forscher historisch bedingt. So geht z.B. Dr. Shevan Wilkin vom Max-Planck-Institut in Jena davon aus, dass die Nutzung von tierischer Milch durch die Menschheit bereits 8500 Jahre zurückreicht. Für die Vorfahren heutiger Generationen war sie eine Art „sauberes Wasser”, das immer getrunken werden konnte. Natürlich: Auch Fleisch liefert z.B. Eiweiß – doch dafür musste ein Tier geschlachtet werden, für die Milcherzeugung hingegen nur gemolken.
Zusätzlich enthält Milch viele weitere Nährstoffe, Mineralstoffe und einige Vitamine (vor allem B2 und B12), zudem dient sie als wichtiger Jodlieferant. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt für Erwachsene täglich 200 bis 250 ml fettarme Milch, ersatzweise auch Milchprodukte wie Buttermilch oder Joghurt. Dank Kalzium und Vitamin D kann Milch zu einem gesunden Knochenwachstum beitragen – in Verbindung mit entsprechender Bewegung. Wie u.a. eine 2014 in Schweden durchgeführte Studie nahelegt, kann der übermäßige Konsum bei Frauen jedoch eher kontraproduktiv auf die Knochenstabilität wirken.
Während gerade in Deutschland das Image von (tierischer) Milch in der Nachkriegszeit so rein-weiß war wie das Produkt selbst, stellten ihr viele Wissenschaftler seitdem eher eine durchwachsene Bilanz aus. Für so manche Studie, die eine gewisse These untermauert, existiert jedoch oft eine weitere Studie, welche das genaue Gegenteil beweist. Im Ernährungsbereich gibt es letztendlich nur wenig echtes Schwarz und Weiß, sondern viel Grau – und eben auch ein „Zuviel des Guten“. Bei den meisten Zeitgenossen bestimmen ohnehin die eigenen Vorlieben, Überzeugungen und etwaige Unverträglichkeiten, wie oft der Griff zur Milch oder anderen darauf basierenden Erzeugnissen erfolgt. Unbestritten ist: Würde man alle Artikel, bei denen auf die ein oder andere Weise tierische Milch in der Herstellung verwendet wird, aus den Regalen nehmen, würden Supermärkte um einiges leerer wirken – trotz aller veganen Alternativen.
Prinzipiell haben es Menschen heute beim Milchkonsum viel einfacher als ihre Vorfahren. Viele Jahrhunderte lang mussten diese noch regelmäßig mit dem Melkschemel ausrücken, inzwischen kann Milch auch für mehrere Monate lang aufbewahrt werden. Für die längere Haltbarkeit wird sie kurzzeitig erwärmt bzw. ultrahocherhitzt, was viele Mikroorganismen abtötet. Das sogenannte Pasteurisieren ist nach seinem Erfinder benannt, dem französischen Chemiker Louis Pasteur (1822 – 1895).
Was nun jedoch die Wahrheit des bekannten Werbespruchs „Milch macht müde Männer munter“ angeht, so plädieren zahlreiche Ernährungswissenschaftler dafür, die Adjektive umzudrehen: Die in Milch vorkommende Aminosäure Tryptophan soll nämlich in größeren Dosen eher schlaffördernd wirken – macht also eher „muntere Männer müde“. Für rastlose Seelen soll ein Glas warme Milch durchaus eine Erleichterung beim Übergang zur Nachtruhe sein.
