Der Biergarten und seine Bräuche
Manche Leser werden sich noch an den Hinweis „Draußen nur Kännchen“ erinnern, mit dem vor allem in den 1970er bis 90er Jahren in vielen Cafés mit Außenbereich den Gästen die größere Koffeinportion „aufgenötigt“ wurde. In Anlehnung daran entstand der Titel dieses Artikels – das soll jedoch nicht bedeuten, dass Biergärten heutzutage nur diese Art von Sitzgelegenheiten bieten. Neben der klassischen Bierbank findet sich dort inzwischen der Rattan-Stuhl ebenso wie das stoffbezogene Loungemöbel oder sogar der Strandkorb.
Das war zu Beginn der bayerischen Biergartenkultur noch anders: Die ersten Biergärten entstanden bereits 1812 in München, dort legten die Bierbrauer unter den Hängen am Stadtrand Keller an, um ihre Produkte kühl lagern zu können. Anders als in den Gasthäusern hatten sie dort jedoch kein Ausschankrecht, sie durften lediglich in einer beschränkten Zeit im Sommer Bier direkt ausgeben. Die Münchner pilgerten zu den „Gärten“, holten sich eine kühle Maß und brachten oft ihre eigene Brotzeit mit. Damit die neuen Lokalitäten den bestehenden Gasthäusern nicht allzu große Konkurrenz machten, war es ihnen bis 1825 verboten, mehr als Bier und Brot in Scheiben zu kredenzen. Damals galt tatsächlich „Draußen nur Bänkchen“ – die rustikale Sitzbank nebst Holztisch war die vorherrschende Möblierung, nicht selten wurde beides mit Holz aus den angrenzenden Wäldern zusammengezimmert. An den Bierkellern selbst ließ man jedoch die Bäume wachsen – mit Vorliebe Kastanien, da diese den Gästen Schatten spendeten und mit ihren flachen Wurzeln die Lagergewölbe nicht beschädigten.
Auch 2023 gibt es „Recht und Gesetz“ bezüglich Biergärten. So regelt beispielsweise die bayerische Biergartenverordnung u.a. die Ruhezeiten. Laut dieser Verordnung zeichnen sich traditionelle Biergärten u.a. durch ihren „Gartencharakter“ und die Tatsache aus, dass Gäste auch mitgebrachte Speisen verzehren dürfen. Zwar gibt es keine offiziellen Zahlen, die bayerische Staatsregierung schätzte jedoch in einer 2014 veröffentlichten Erklärung, dass es im ganzen Freistaat gerade mal 150 Lokalitäten gebe, welche Biergärten im strengen Sinn der Verordnung seien. Der Begriff wird inzwischen vielerorts für Gastro-Außenbereiche verwendet, die zu Gaumenfreuden in gemütlichem Ambiente einladen.
In diesem Frühling gab es nicht wirklich viele Momente, in denen man Maß, Obatzter, Radi oder andere Spezialitäten im Freien genießen konnte. Das vergangene Pfingstwochenende sah da schon anders aus – sehr zur Freude eingefleischter Biergartenfans hat der Frühsommer endlich das Schild mit der Aufschrift „Draußen nur (mit) Deckchen!“ entfernt…