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Sonntag, 7 Juli 2024
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Es hat sich viel getan seit den Butzenscheiben

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Glas – das Multitalent im und am Haus

Der Büroraum. Unendliche Weiten. Von einem langen Flur gehen rechts und links zwei Konferenzsäle ab, dahinter liegen weitere Büros für die Mitarbeiter des Unternehmens aus der Finanzbranche. Dass dieser Gang nicht „schlauchartig“ wirkt, ist der Wahl des Materials zu verdanken. Bei fast allen Innenwänden zwischen den Räumlichkeiten setzten die Architekten auf Glas – dies erlaubt dem Besucher, über alle Abteilungen hinweg bis zu den Außenwänden des Gebäudes zu blicken. Der Eindruck des Betrachters: „Transparenz“ wird in dieser Firma großgeschrieben. Das ändert sich jedoch mit einem Knopfdruck. Plötzlich verwandeln sich die vormals durchsichtigen Wände von „Meeting 1“ zu einer blickschützenden, milchglasartigen Oberfläche. Ein spezielles schaltbares Glas wurde in den meisten Räumen verwendet – es erlaubt den Mitarbeitern, sich „visuell zurückzuziehen“ oder Besprechungen in vertraulichem Rahmen durchzuführen. Das Material ist so beschaffen, dass es bei Anlegen einer elektrischen Spannung seinen Transparenzgrad ändert. Es gibt auch schaltbares Glas, welches an Außenwänden eingesetzt eine flexible Sonnenschutzfunktion erfüllen kann.

Geschichte mit Durchblick

Die Verwendung von Glas im Bauwesen reicht bis in die Antike zurück. Im Laufe der folgenden Jahrhunderte wurde schon früh Funktionalität (primär Lichteinfall) mit Ästhetik gepaart. Die Gestaltung von Glasflächen prägte zahlreiche historische Gebäude, von den mittelalterlichen Butzenscheiben bis zu den kunstvollen Motivfenstern in Gotteshäusern.

Bis in die 1970er Jahre wurden in deutschen Häusern noch teilweise einfach verglaste Fenster verbaut – Mehrfachglas-Modelle werden jedoch schon seit den 1950ern entwickelt bzw. eingesetzt. Durch zwei oder drei hintereinanderliegende Glasscheiben, zwischen welchen sich ein gas- und feuchtigkeitsdichter Hohlraum befindet, kann der Verlust von Heizenergie verringert werden. Derartige Isolation bzw. Wärmedämmung funktioniert nicht nur von innen nach außen, sondern auch umgekehrt – Sommerhitze wird also auch abgehalten. Isoliergläser können somit die Energierechnungen für Heizungen bzw. Klimaanlagen niedrig halten, u.a. geben die sogenannten U-Werte Auskunft zum Dämmpotential. Durch Beschichtung der Glasoberfläche(n) mit Edelmetall kann die Wirkung noch erhöht werden.

Auch Lärmschutzfunktionen kann das Multitalent Glas erfüllen – mit diversen Parametern lässt sich hier das Eindringen von Schall beeinflussen, unter anderem der Größe des Zwischenraums zwischen den Scheiben, deren Dicke aber auch der Verwendung von speziellen Folien zur akustischen Dämmung.

„Scherben bringen Glück“ sagt ein altes Sprichwort – wenn man im Bad ausrutscht und gegen die Duschwand aus Glas fällt oder einen schweren Unfall mit dem Fahrzeug erlebt, gilt dies jedoch nicht. Dann wären massive Verletzungen an der Tagesordnung, würde in diesen Bereichen nicht sogenanntes Sicherheitsglas zum Einsatz kommen. Hier gibt es unterschiedliche Funktionsweisen: Bei Verbundsicherheitsglas (VSG) sind zwei Glasschichten mittels einer elastischen Folie so verbunden, dass diese im Falle eines Bruches nicht in tausend Teile zersplittern, sondern die Bruchstücke aneinander haften bleiben. Einscheiben-Sicherheitsglas (ESG) besteht hingegen nur aus einer Glasschicht, diese ist allerdings so beschaffen, dass sie in sehr viele kleine, würfelartige Teile zerbirst, welche nur geringes Verletzungsrisiko bergen. Für Sicherheitsgläser gibt es viele Einsatzgebiete im öffentlichen, gewerblichen und privaten Raum – vom Kindergarten bis zum Wintergarten.

Man könnte vermuten, dass Glasflächen für Einbrecher die einfachsten Stellen seien, in ein Gebäude einzudringen – sofern sie sich von Splittergeräuschen nicht abschrecken lassen. Wie sehr Glas tatsächlich das Eindringen in Räume erschweren oder erleichtern kann, zeigen Klassifizierungen. Bei den Klassen P1A bis P5A spricht man z.B. von durchwurfhemmendem Material, die Verglasungen halten ggf. einem geworfenen Stein oder einem von Kindern verschossenen Ball stand, jedoch keinen wirklichen kriminellen Attacken. Bei den Klassen P6B, P7B und P8B tun sich Eindringlinge mit Hammer spürbar schwerer, einen Durchbruch zu erzielen. Noch höhere Widerstandsklassen belegen die Resistenz gegen Schusswaffen und Sprengstoffe.

Ausblick toll, Empfang null?

Bei der Wahl von Glas im Bauwesen muss jedoch auch darauf geachtet werden, dass das Material noch die Komponenten durchlässt, welche durchaus erwünscht sind: Mobilfunksignale sollten durchaus im Inneren des Gebäudes empfangbar sein, konventionelle Isolierverglasungen wirken hier jedoch abschirmend. Durch spezielle Verfahren können inzwischen Gläser angeboten werden, welche die Wärmedämmung auf hohem Niveau halten, jedoch auch guten Netzempfang ermöglichen.

Prinzipiell gilt in vielen Fällen: Der Einsatzort schreibt vor, welches Material zur Verwendung kommen muss. Die DIN 18008 ist ein wichtiges Regelwerk für die Verwendung von Glas im deutschen Bauwesen. Hier geht es unter anderem auch um Parameter, welche Glas hinsichtlich Tragfähigkeit oder Absturzsicherung erfüllen muss. Und gerade wenn man als Tourist auf einem spektakulären „Skywalk“ läuft – das sind oftmals mit transparenten Böden versehene Brücken, welche über tiefe Schluchten führen – hofft man inständig, dass hier die Planer das richtige Glas ausgewählt haben…

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