(dpa) – Das russische Militär hat eigenen Angaben zufolge die volle Kontrolle über die seit Tagen umkämpfte südukrainische Großstadt Cherson erlangt.
«Russische Einheiten der Streitkräfte haben das Zentrum der Region Cherson vollständig unter ihre Kontrolle gebracht», so der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow.
Von ukrainischer Seite gab es dafür zunächst keine Bestätigung. Es wäre die erste ukrainische Gebietshauptstadt, die russische Truppen seit Ausbruch des Krieges unter ihre Kontrolle gebracht haben.
Ukrainische Medien hatten zuvor von Kämpfen in der Stadt mit etwa 280.000 Einwohnern berichtet. Der Berater des Innenministeriums, Anton Heraschtschenko, sprach von zahlreichen toten Zivilisten, die Cherson unter anderem mit sogenannten Molotow-Cocktails verteidigt hätten.
Die Stadt an der Mündung des Flusses Dnipro war örtlichen Berichten nach eingekesselt. Von der Stadtverwaltung hieß es zudem, russische Soldaten hätten den Hafen und den Bahnhof übernommen. Es habe zahlreiche Tote und Verletzte unter ukrainischen Soldaten und Zivilisten gegeben.
Kämpfe in Charkiw
Im ostukrainischen Charkiw, der zweitgrößten Stadt des Landes, griffen russische Soldaten nach einem Medienbericht in der Nacht ein medizinisches Zentrum des Militärs an. Es sei zum Kampf mit ukrainischen Einheiten gekommen, meldete die Agentur Unian. Bei Charkiw sei es den Ukrainern gelungen, sechs neue russische Panzer vom Typ T-80BWM zu erbeuten.
Tote bei Luftangriff in der Großstadt Schytomyr
Bei einem Luftangriff in der Großstadt Schytomyr rund 140 Kilometer westlich von Kiew wurden nach Angaben der Behörden zwei Menschen getötet und zehn verletzt. Der Angriff galt demnach der 95. Brigade der ukrainischen Armee. Vermutlich Marschflugkörper des russischen Typs Kalibr hätten mehrere Gebäude beschädigt. Die Angaben zu den Kampfhandlungen ließen sich nicht von unabhängiger Seite überprüfen.
Bundeswehr-Experte rechnet mit Guerillakrieg
Der Vorsitzende des Bundeswehrverbands, André Wüstner, rechnet mit einem Guerillakrieg in den ukrainischen Städten. «In den Städten selbst, im Orts- und Häuserkampf, da sind natürlich Kräfte, wie sie die Ukraine hat, mit ihren Panzerfäusten und mehr überlegen», sagte der Oberstleutnant im ARD-«Morgenmagazin». Eine solche Aussicht könne Putin allerdings dazu bringen, «mit Feuerwalzen über diese Städte herzufallen». Er gehe fest davon aus, dass Putin seine Angriffsbewegungen verstärke und es in den nächsten Tagen bittere Kämpfe geben werde.