Chisinau (dpa) – Verteidigungsministerin Christine Lambrecht hat angesichts der russischen Drohungen zum Einsatz von Atomwaffen vor einer Lähmung des Westens gewarnt und zur weiteren Unterstützung der Ukraine aufgerufen. Die Drohungen würden von der Bundesregierung ernst genommen und sehr besorgt beobachtet, sagte die SPD-Politikerin am Samstag in Chisinau in Moldau nach einem Treffen mit ihrem Amtskollegen Anatolie Nosatii. Zugleich sagte Lambrecht Moldau weitere Unterstützung bei der Ausrüstung und Ausbildung der Armee des Landes zu. Unter anderem geht es dabei um die Beschaffung von Drohnen.
Zu den Atomdrohungen von Russlands Präsident Wladimir Putins sagte Lambrecht: «Da gilt es, sehr aufmerksam zu sein. Aber da gilt es auch, sich von solchen Drohungen nicht lähmen zu lassen.» Sie ergänzte: «Das darf nicht dazu führen, dass man nachlässig in der Unterstützung für die Ukraine wird.» Es gelte nun, «wachsam zu sein, sehr besonnen zu reagieren und auch, dafür zu sorgen, dass es zu keiner weiteren Eskalation kommt». Die Ukraine müsse weiterhin konsequent unterstützen werden.
Mit Blick auf die Ankündigung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, nach der Annexion von vier Gebieten seines Landes durch Russland einen beschleunigten Beitritt zur Nato zu beantragen, äußerte sich Lambrecht zurückhaltend. Die Ukraine sei selbstverständlich frei darin, das Bündnis zu wählen, in dem sie sich gut aufgehoben fühle. Ein Nato-Beitritt sei aber an bestimmte Voraussetzungen gebunden. Die Frage werde nun im Kreis der 30 Nato-Staaten beraten. «Es wird da keine Alleingänge von Deutschland geben», sagte Lambrecht.
Selenskyj hatte am Vortag erklärt, er wolle einen beschleunigten Beitritt zur Nato beantragen. Er begründete seine Forderung nach einem beschleunigten Beitrittsverfahren mit der Bedeutung der Ukraine für die Verteidigung der westlichen Gesellschaft. Allgemein gilt als Voraussetzung für einen Nato-Beitritt, dass der Beitrittskandidat nicht in internationale Konflikte und Streitigkeiten um Grenzverläufe verwickelt sein darf.
Etwa 500.000 Flüchtlinge nach Moldau gekommen
Lambrecht sagte, der Bundesregierung sei es wichtig, Moldau auch gegen russische Destabilisierungsversuche bei der Energieversorgung zu unterstützen. Es gehe aber auch um militärische Unterstützung der moldauischen Armee bei Ausbildung und Ausrüstung. Hier werde man noch weitere Schritt gehen. Schon nächste Woche werde es Verhandlungen in diesem Zusammenhang geben. Sie sei zuversichtlich, dass man Moldau dort unterstützen könne, wo es gewünscht sei – etwa bei der Beschaffung von Drohnen. Lambrecht sagte Moldau auch eine stärkere Hilfe bei der Sicherung und Vernichtung alter Munition aus Sowjetzeiten zu.
Moldau ist eines der kleinsten Länder an der Grenze zur Ukraine und von den Fluchtbewegungen aus dem Nachbarland, aber auch von den Folgen der Corona-Pandemie und der Energiekrise stark betroffen. Lambrecht ist nach Angaben von Nosatii die erste deutsche Verteidigungsministerin, die das Land besucht.
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine am 24. Februar sind etwa 500.000 Flüchtlinge nach Moldau gekommen, das selbst nur rund 3,2 Millionen Einwohner hat. Viele von ihnen sind in andere Länder weitergereist, etliche wieder in die Ukraine zurückgekehrt. Etwa 95.000 Flüchtlingen seien im Land geblieben, die meisten seien von Verwandten aufgenommen worden. Zehn Prozent leben demnach in Sammelunterkünften. Das Land kämpft mit einer Inflationsrate von etwa 40 Prozent – der höchsten innerhalb Europas. Die Gaspreise sind in einem Jahr um 380 Prozent gestiegen.
Moldau und die Ukraine sind EU-Beitrittskandidaten. Nach einer Empfehlung der EU-Kommission sollen Beitrittsverhandlungen mit beiden Ländern erst beginnen, wenn diese weitere Reformauflagen erfüllt haben. Dabei geht es etwa um Justizreformen und stärkere Korruptionsbekämpfung. In seiner Verfassung hat Moldau Neutralität festgeschrieben – international hat sich die Republik aber deutlich der Kritik am russischen Einmarsch in der Ukraine angeschlossen.