Von Christoph Meyer, dpa
London (dpa) – Charles III. mit der prachtvollen Imperial State Crown auf dem Kopf: Der Anblick war noch immer etwas ungewohnt, als der britische Monarch kürzlich erstmals mit einer «King’s Speech» das Parlament in London eröffnete. Obwohl er am 14. November bereits seinen 75. Geburtstag feiert, ist er noch immer ein Neuling auf dem Thron. Als seine Mutter Queen Elizabeth II. im Jahr 2001 ihren 75. beging, war sie immerhin schon fast ein halbes Jahrhundert Königin.
Doch das vergangene Jahr ist nicht ereignislos vergangen. Drei Staatsbesuche, die Geburtstagsparade Trooping the Colour und unzählige Empfänge haben Charles und seine Frau Königin Camilla (76) inzwischen hinter sich gebracht. Wichtiger noch: Mehr als ein Jahr nach dem Tod seiner Mutter und sechs Monate nach seiner Krönung ist etwas Ruhe eingekehrt im Hause Windsor.
Harry kommt wohl nicht zum Geburtstag
Bei seinem Geburtstag im vergangenen Jahr stand die Veröffentlichung der sechsteiligen Netflix-Dokumentation «Harry & Meghan» und der Autobiografie seines Sohnes Harrys (39) «Spare» (auf Deutsch: «Reserve») unmittelbar bevor. Beide waren gespickt mit unangenehmen Indiskretionen und Vorwürfen, die das Königshaus in einen Strudel der Negativschlagzeilen zogen. Unter anderem schwang der Vorwurf mit, Harrys Frau Meghan (42) sei im Kreis der Königsfamilie Opfer von Vorurteilen wegen ihrer teilweise afroamerikanischen Wurzeln geworden. Harry erhob zudem schwere Anschuldigungen gegen seine Stiefmutter Queen Camilla (76) und seinen Bruder Prinz William (41).
Doch nach und nach ebbte die Aufregung ab. Bei seiner Geburtstagsfeier, die der König im Kleinen begehen wollte, werde Sorgenkind Harry aber wohl nicht dabei sein, spekulierten britische Medien. Obwohl die Wellen längst nicht mehr so hochschlagen wie noch vor einem Jahr, sei eine Aussöhnung noch nicht in Reichweite, zitierte die «Sunday Times» einen Palast-Insider.
Schwierige Reise in die ehemalige Kolonie
Charles Staatsbesuch in Deutschland im März hingegen wurde zu einem vollen Erfolg. Ähnlich war es in Frankreich im Spätsommer. In beiden Ländern sprach Charles in der Landesprache vor den Parlamenten, beschwor Freundschaft und enge Verbundenheit: Es war Balsam für die vom Brexit geschundene Seele der europäischen Verbündeten Großbritanniens.
Etwas schwieriger war die Reise in die frühere Kolonie Kenia kürzlich. Der König wurde bereits vor der Reise mit Forderungen nach einer Entschuldigung und Reparationen für das erlittene Unrecht aus der Zeit des Empires konfrontiert. Beim Staatsbankett in Nairobi sprach er von «furchtbaren, nicht zu rechtfertigenden Gewalttaten gegen Kenianer». Zu einer ausdrücklichen Entschuldigung kam es nicht. Doch das lag nicht in Charles Händen. Er reist stets im Auftrag der britischen Regierung, von der er sich jedes Wort seiner Reden absegnen lassen muss. Entsprechend gab es in Kenia enttäuschte Stimmen.
Mit seinem Kampf für den Klimaschutz eckt er an
Dass Charles zwar Staatsoberhaupt in Großbritannien ist, aber längst nicht immer Herr des eigenen Handelns, wurde im vergangenen Jahr auch deutlich, als ihm die Regierung in London die Teilnahme an der Weltklimakonferenz versagte. Die damalige konservative Premierministerin Liz Truss befürwortete die Ausbeutung neuer Öl- und Gasfelder in der Nordsee und wollte das Fracking-Verbot aufheben. Ein König, der zum Klimaschutz aufrief, passte ihr nicht ins Bild.
Für den bekennenden Klimaaktivisten Charles war das eine Demütigung. Doch Truss ist längst wieder Geschichte und es ist bereits klar, dass er bei der diesjährigen Weltklimakonferenz COP 28 in Dubai dabei sein wird. Die «einzigartige Fähigkeit» des Königs, Menschen zusammenzubringen, habe sich als mächtiges Instrument erwiesen, um Lösungen zu finden und Menschen zu inspirieren, hieß es dazu in einer Mitteilung des Palasts.
Bei der Weltklimakonferenz wird er nun zwar wieder sprechen dürfen, doch dass der aktuelle Premierminister Rishi Sunak Etappenziele für das Erreichen der Klimaneutralität wieder einkassiert hat, wird er weder thematisieren und schon gar nicht ändern können.
Charles sind oft die Hände gebunden
Auch deshalb sieht der Journalist und Royal-Experte Alexander von Schönburg in Charles gewissermaßen eine tragische Figur. Bei der Rede in Kenia habe man «noch mal deutlich gemerkt, wie sehr ihm die Hände gebunden sind, eine große Geste in irgendeine Richtung zu machen, weil er das einfach nicht darf», sagt von Schönburg, der in diesem Jahr ein Buch mit dem Titel «Was bleibt, was wird – die Queen und ihr Erbe» veröffentlichte, im dpa-Gespräch. Der feinfühlige König habe sicherlich großes Mitgefühl für die Opfer des kolonialen Unrechts und wolle womöglich weitergehen, als ihm die Staatsräson erlaube, glaubt der Adlige, der Charles auch aus persönlichen Begegnungen kennt. Ähnlich sei es beim Thema Klimawandel.
Von Schönburg kommt dabei das Bild eines Hospizbesuchs von Charles vor einigen Wochen in den Sinn, bei dem der König von einem kleinen Mädchen eine selbstgebastelte Papierkrone überreicht bekam und resümiert: «Er ist eigentlich ein König mit einer Papierkrone auf.»