Von Britta Schultejans, dpa
Bayreuth (dpa) – Bei den Bayreuther Festspielen ist ein Streit um das Wort «Führer» entbrannt. Darf dieses Wort erklingen im Festspielhaus, in dem Adolf Hitler einst ein und aus ging? Intendantin und Richard-Wagner-Urenkelin Katharina Wagner (44) und der Dirigent und frühere Musikdirektor Christian Thielemann (63) haben da sehr unterschiedliche Ansichten. Wagner zensiert Wagner – und Thielemann ist sauer.
«Entschuldigung, aber wo kommen wir denn da hin? Dann kann man auch gleich viel mehr ändern, der ganze «Lohengrin» ist ja voll von solchen Stellen, «Für deutsches Land das deutsche Schwert», all das», sagt Thielemann, der den «Lohengrin» dirigiert hat, im Interview der «Welt» und spricht von einem ««Führer»-Skandal». «So steht es nun einmal in Richard Wagners Partitur.»
«Seht da den Herzog von Brabant, zum Führer sei er euch ernannt», hat ihr Uropa Richard im Original getextet. Katharina Wagner hatte den Tenor Klaus Florian Vogt, der die Titelrolle sang, aber nach der Generalprobe in diesem Jahr gebeten, das Wort «Führer» zum Ende der Richard-Wagner-Oper über den Schwanenritter durch «Schützer» zu ersetzen. Dabei könnte eine Rolle gespielt haben, dass Publikumsliebling Vogt stets besonders klar und textverständlich singt.
«Es ist ein gängiges Substitut», sagte Wagner der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch. «Sehr viele Häuser benutzen das Wort «Schützer» und gerade wir in Bayreuth sollten da besonders sensibel sein, weil wir einen besonderen politischen Hintergrund und damit auch eine besondere Verantwortung haben.»
Die Bayreuther Festspiele haben eine braune Geschichte. Der Nationalsozialismus und die Wagners – das war in den 1930er- und 40er Jahren eine unheilige Allianz. Adolf Hitler war – besonders hofiert von Festspielleiterin Winifred Wagner – Dauergast bei den Festspielen. Richard Wagner (1813-1883), der sich auch selbst zu Lebzeiten immer wieder antisemitisch geäußert hatte, galt als erklärter Lieblingskomponist des Diktators.
Thielemann geht das Streichen aber trotzdem zu weit. Er sieht auch andere Werke der Opernliteratur in Gefahr: «Dann darf man auch «Tosca» nicht mehr spielen, mit der versuchten Vergewaltigung, dem Mord und so weiter», sagte er der «Welt». «Wenn ich sehe, mit welcher Akribie das durchgezogen wird, würde ich von konservativer Politik schon erwarten, dass sie sagt: Jetzt kümmern wir uns erst einmal darum, dass das Land vernünftig funktioniert, bevor wir darüber nachdenken, welche Werke der Weltliteratur man umschreiben könnte.»
Der Chef der Sächsischen Staatskapelle Dresden bezeichnet sich in dem «Welt»-Interview selbst als «konservativ» und begründet das unter anderem so: «Wenn Zuschauer der Bayreuther Festspiele ohne angemessene Garderobe erscheinen, finde ich das sehr schade.»
Und so reiht sich der Streit zwischen der Intendantin und ihrem früheren Musikdirektor, deren Verhältnis ohnehin nicht als das beste gilt, nahtlos ein in die Debatte um eine sogenannte «Cancel-Culture», die Konservative immer wieder zu erkennen glauben, wenn sich beispielsweise die Frage stellt, ob «Layla» zu sexistisch ist oder ob hinter «Winnetou» Rassismus und kulturelle Aneignung stecken. Jetzt erreicht diese Diskussion auch Deutschlands bekanntestes Opernhaus.
Für Wagner hat ihre Entscheidung aber nichts mit einer solchen «Cancel-Culture» zu tun. In dem nun diskutierten Fall singe der Lohengrin das Wort «Führer» am Schluss so herausgehoben und ausgerechnet dann, wenn er einen politischen Nachfolger benennt. Dass dieser Nachfolger ein «Führer» sein soll, das soll aus ihrer Sicht heute in Bayreuth einfach so nicht stehenbleiben.