Neumarkter Unternehmen können Lastenräder kostenlos testen
Ein kleiner Picknickkorb, eine volle Einkaufstüte oder eine Aktentasche – mit solchen Gegenständen ist die Transportkapazität eines klassischen Fahrrades mit Gepäckträger schon ziemlich ausgeschöpft. Und deswegen darf man auch nicht solche „Drahtesel“ vor Augen haben, wenn es um das Thema „Lastenräder für die gewerbliche Nutzung“ geht. Natürlich: Es handelt sich bei Letzteren prinzipiell schon um Vehikel, welche mit Pedaltritten bewegt werden. Die inzwischen auf dem Markt verfügbaren Modelle haben aber meist mehr als zwei Räder und einen „Gepäckträger“, der nicht zwangsweise am hinteren Ende des Gefährts zu finden ist, dafür aber die Maße eines Großfamilienkühlschranks erreichen kann.

An der Technischen Hochschule Nürnberg erforscht man bereits seit vielen Jahren den Bereich „Grüne Logistik“, seit 2015 hat man sich verstärkt dem Thema „Lastenräder“ verschrieben und entwickelte auch selbst Modelle. „Der Anspruch war, dass die Fahrzeuge mindestens Güter vom Grundmaß einer Euro-Palette und Nutzlasten bis 300 Kilogramm transportieren können“, erklärt Prof. Dr. Ing. Ralf Bogdanski von der TH Nürnberg, „außerdem sollten sie wartungsarm, ergonomisch und zuverlässig sein.“ Was die Forscher im Rahmen von Studien und Prototypentwicklungen unter anderem herausfanden: Selbst die hochwertigsten Bauteile für herkömmliche Fahrräder sind nicht massiv genug, um Modelle zu produzieren, welche der Dauerbeanspruchung der gewerblichen Logistik standhalten – mit Komponenten für Motorroller & Co. hatten die Wissenschaftler letztendlich mehr Erfolg.

Wer in deutschen Städten mit offenen Augen unterwegs ist und bemerkt, wie oft Lieferfahrzeuge am Straßenrand stehen (und stellenweise Ausweichmanöver des fließenden Verkehrs erfordern), sieht eine deutliche Auswirkung des blühenden Online-Handels. Auf der sogenannten „letzten Meile“ vom finalen Verteilpunkt bis zur Haustür werden unser aller „Päckchen“ oft noch mit Fahrzeugen mit Benzin- oder Dieselbetrieb befördert − manche Logistikunternehmen setzen jedoch inzwischen verstärkt auf Elektroantriebe.
Dass diese Lieferwagen alle durch Lastenfahrräder mit Elektromotorunterstützung ersetzt werden können, hält Ralf Bogdanski aktuell für ausgeschlossen. In Verteilgebieten, wo die Strecken und die Paketgrößen eher überschaubar sind, ließe sich mit den Pedalvehikeln aber durchaus arbeiten. „In solchen Arealen schafft ein Zusteller pro Tag maximal 120 Pakete, welche größtenteils für Privatkunden und durchschnittlich eher leicht und klein sind.
Dieses Volumen lässt sich inzwischen auch in zahlreichen Lastenradmodellen unterbringen − insofern könnte man auf solchen Touren durchaus diese Alternativen verwenden.“ Dies setzte natürlich eine genaue Analyse und Planung der Verteilgebiete und der Paketgrößen voraus – allerdings keine besondere Fitness seitens der Zusteller, so die Aussage der Hochschulforscher. Hier kommt der im Rad eingebaute Elektromotor zum Tragen – dieser darf zwar nach aktuellen Gesetzvorgaben nicht die komplette Tret-Arbeit übernehmen und auch keine Geschwindigkeiten über 25 Stundenkilometern erlauben, gerade beim Anfahren mit voller Ladung soll er aber effektiv und kräftesparend unterstützen.
Am Mittwoch letzter Woche stellte die Stadt Neumarkt zusammen mit der Technischen Hochschule Nürnberg eine Aktion vor, bei welcher Unternehmen im Stadtgebiet Neumarkt selbst testen können, inwiefern sich die ein oder andere Beförderung von Waren, Mitarbeitern, Werkzeug & Co. nicht mit einem modernen Lastenrad leichter durchführen ließe als mit einem klassischen „Laster“. „Eine Einsatzmöglichkeit sehen wir zum Beispiel bei Handwerkern, welche im Stadtgebiet oft schwer Parkplätze finden“, so Bogdanski.
Am 21. Oktober 2021 haben Neumarkter Firmen die Möglichkeit, ab 16.30 Uhr Probefahrten mit großen, gewerblichen Lastenrädern zu absolvieren. Zusätzlich können sie im Rahmen eines Forschungsprojektes einen kostenlosen ein- bis zweiwöchigen Testlauf in ihrem Unternehmen durchführen. Anmeldungen nimmt der Klimaschutzmanager der Stadt Neumarkt, Hidir Altinok, entgegen, weitere Infos gibt es auf der Projekt-Homepage www.cna.de/pedelistics/testtag.
Wie „grün“ sind Lastenräder wirklich?

Als Transportmittel, welche von strombetriebenen Motoren unterstützt werden, gehören Gewerbe-Lastenräder natürlich zum Bereich „E-Mobilität“. Diese Technologie ist in den Augen von Professor Ralf Bogdanski aber auch nicht das umweltfreundliche Allheilmittel für alle Anwendungen: Zwar sind Elektro-fahrzeuge im alltäglichen Betrieb emissionsarm, doch z.B. bei der Produktion ihrer Batterien entsteht sehr wohl ein nicht zu übersehender ökologischer Fußabdruck.
„Einen Elektro-Lieferwagen muss man in der Logistikbranche aktuell drei bis vier Jahre mit Strom aus Wind- oder Sonnenkraft fahren, um den CO₂-Fußabdruck der Batterieherstellung‚ auszugleichen‘“, erklärt Bogdanski, „tatsächlich halten viele Fahrzeuge im Kurierbereich aber gar nicht so lange aus.“ Ein Lastenrad mit Elektroantrieb hat im Vergleich dazu einen wesentlich geringeren ökologischen Fußabdruck − unter anderem, da der Motor hier nur zur Unterstützung eingesetzt wird.