Wenn sich in einem Wirtshaus zwei Semmeln im Brotkörbchen über unhygienische Behandlung durch die Gäste unterhalten oder eine Hinrichtung abgeblasen wird, weil der Henker sein Beil verlegt hat, dann steckt mit ziemlicher Sicherheit ein Wegbereiter des absurden Humors dahinter: Karl Valentin.
Die Neumarkter Schlossspiele widmen ihre Sommerproduktion dem bayerischen Humoristen, Volkssänger und Filmproduzenten und präsentierten bei der Premiere am Wochenende in der (nach Pandemievorgaben) ausverkauften LGS-Arena insgesamt 12 Sketche, die vorrangig aus dem Spätwerk Valentins stammen. „Er behandelte oft den Umgang mit der Obrigkeit und spielt mit dem Absurden“, erklärt Schlossspiel-Organisatorin Barbara Beck, „wir dachten, das passt ganz gut in unsere aktuelle Situation.”

Und gewisse Absurditäten gab es nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Vorfeld hinter den Kulissen: Nach wie vor unterliegen Produktionen von Laientheaterensembles Beschränkungen – in einer Zeit, in der in Neumarkt in Innenräumen schon wieder Kontaktsport ausgeübt wurde, waren die Schlossspiele angehalten, auf Parkplätzen mit möglichst viel Abstand zu üben.
Wie bereits im Vorjahr, als man in der LGS-Arena ausgewählte Szenen aus Goethes „Faust“ präsentierte, werden die Sketche des bayerischen Humoristen von unterschiedlichen kleinen Schauspielergruppen auf die Bühne gebracht, welche im Vorfeld separat probten, um Kontakte möglichst gering zu halten. Man kann nur mutmaßen, welches zusätzliche Komik-Potenzial der Valentin-Klassiker „Die Orchesterprobe“ mit dieser Prämisse gehabt hätte…
Als Karl Valentin 1948 in Planegg bei München starb, war der Zenit seiner Popularität überschritten. Gerade in den 1970er und 1980er Jahren erlebte er aber eine gewisse Renaissance. Möglich war das sicher auch, da er Zeit seines Lebens nicht nur auf der Bühne tätig war – zahlreiche seiner Werke sind als Tonaufzeichnungen oder Filmaufnahmen erhalten, Valentin selbst hatte in München ein Studio eingerichtet, in dem er als Produzent tätig war.

Wer diese „Zeitdokumente“ betrachtet, merkt deutlich, dass sich zumindest ein Teil des Humors durch die Körperhaltung und die hagere Gestalt des Komikers sowie seine vom Münchner Dialekt geprägte Sprechweise transportiert. Gerade die absurden Grundideen seiner Werke kommen aber auch in der Inszenierung der Schlossspiele gut zur Geltung − trotz abgewandelter „Sprachfärbung“. „Bei manchen Sketchen haben wir im Grunde die Dialoge ins Hochdeutsche übersetzt, andere präsentieren wir in einem Dialekt, den wir hier als Oberbayerisch bezeichnet würden – und wieder andere sind klingen eher nach der Oberpfalz”, erklärt Barbara Beck.
Rund 75 Minuten präsentiert das Ensemble einen abwechslungsreichen Querschnitt durch Valentins Schaffen, gespielt wird dabei ohne die klassische Theaterpause. Ein durchgehende Rahmenhandlung stellt die gar nicht mal so absurde Frage, ob es neben der Schulpflicht für den Nachwuchs nicht auch eine Pflicht zum Theaterbesuch geben sollte – dies sorgt dafür, dass die Produktion nicht wie eine reine Nummernrevue wirkt. Für die kommenden Aufführungen gibt es noch freie Plätze, wobei der Eintritt frei ist, Spenden aber erwünscht sind.
Übrigens: Auch wenn die LGS-Arena für die Schlossspiele aktuell keinerlei Möglichkeiten bietet, mit aufwändigen Kulissen oder Lichtequipment zu arbeiten, ist sie doch für Valentin-Kenner ein absolut passender Aufführungsort. Denn keine zehn Meter neben der Bühne findet sich ein Lehrgarten für Heilkräuter – dieser erinnert an einen Kommentar, den der bayerische Humorist in einem Programm über die damalige Obrigkeit abgegeben haben soll: „Wie gut, dass der Führer nicht Kräuter heißt, sonst müsste man ihn mit ‚Heil Kräuter!‘ grüßen…“