Strampeln für mehr Offenheit
Man dürfe das nicht mit „Scheiße drauf sein“ verwechseln, erklärte der bekannte Kabarettist Torsten Sträter vor kurzem in einer Fernsehsendung im Hinblick auf seine eigenen Depressionen. Der laut ihm wichtige Unterschied: Schlechte Laune sei zwar nicht „das Gelbe vom Ei“, ginge aber vorbei. Depressionen fühlten sich jedoch an wie „alle drei Teile von ‚Herr der Ringe‘ in Zeitlupe“ sehen zu müssen – also wie eine Situation, in der sich kein wirkliches Ende abzeichne.
Trotz Prominenter aus Showbusiness, Sport und Politik, welche in jüngster Vergangenheit ihre Depressionen in der Öffentlichkeit thematisierten, wird das Thema nach wie vor oft tabuisiert. Betroffene Personen schämen sich für ihre Erkrankung, befürchten beispielsweise, dass ihr Zustand als Schwäche interpretiert wird und ziehen sich aus dem Leben zurück. Eben dies verhindert jedoch oft, dass sie individuelle Wege finden, um aus einer depressiven Phase wieder herauszukommen. Angehörige und Bezugspersonen können den Erkrankten helfen, indem sie „Tiefs“ erkennen – was an sich nicht immer einfach ist – und Betroffene unterstützen ohne Vorwürfe zu machen.
Vorurteile abbauen
Die vom Bremer Sebastian Burger initiierte „Mut-Tour“ ist ein Aktionsprogramm, bei dem sich Menschen mit und ohne eigene Erfahrungen mit Depressionen gemeinsam wandernd bzw. auf Tandems durch Deutschland bewegen und Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Ziel dabei ist, Vorurteile abzubauen und im Optimalfall Betroffene zu motivieren, ihre eigenen Beschwerden nicht „totzuschweigen“. Am Samstagmittag machte die Tour Station am Neumarkter Rathausplatz. Auf Initiative der ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) Neumarkt sammelten sich um 12:30 Uhr Tandemfahrer am Marktplatz und warben für mehr Offenheit im Umgang mit dem Thema. Interessierte erhielten zudem Infos und Adressen zu regionalen Hilfsmöglichkeiten. Die Aktion vor dem Rathaus wurde zudem unterstützt durch das Tageszentrum der Diakonie Neumarkt, die Lebenshilfe Neumarkt sowie die Autismus Selbstvertretung Bayern e.V. Gegen 13 Uhr startete dann eine Mitfahraktion Richtung Berching – auf den 15 Kilometern wurde die Gruppe dabei unter anderem von Mitgliedern des ADFC Neumarkt begleitet. Ein positives „Streiflicht“ am Rande: Zwei von Depressionen Betroffene, welche sich längere Zeit nicht mehr gesehen hatten, trafen sich im Rahmen der Neumarkter Aktion wieder und vereinbarten gleich ein persönliches Treffen für die kommenden Tage. Womöglich auch weil man – um bei Sträters´ Vergleich zu bleiben – den kompletten “Herrn der Ringe in Zeitlupe“ gemeinsam besser überstehen kann …