Überlebenschancen für „großes Kino” in der Region
„Schwarzsehen” gehört nicht zu den Lieblingsaktivitäten von Christoph Gumpert – und das obwohl man in vom ihm geleiteten Cineplex in Neumarkt seit vielen Wochen nur „Schwarz“ bzw. „Weiß“ auf den Leinwänden sehen kann. Wie alle anderen Lichtspielhäuser im Freistaat ist auch dieses Kino im Neuen Markt aufgrund des Lockdowns geschlossen. Dauer-Dornröschenschlaf ist für Projektoren, Lautsprecher & Co. aber nicht angesagt. „Wir testen jede Woche unsere technischen Systeme“, erklärt Gumpert, „damit sie auch funktionieren, wenn wir wieder öffnen dürfen.“
Die Zukunft nach dem Lockdown fest im Blick nutzt man die aktuelle Phase für kleinere Arbeiten in den Sälen und plant sogar eine Umgestaltung im Gastronomiebereich. Dass das Haus in einer Zeit, in der der keine Einnahmen sprudeln, dennoch Investitionen tätigen kann, liegt auch am wirtschaftlichen Erfolg in den Jahren vor Corona. „Bereits zur Eröffnung 2015 wurde unser Kino gut angenommen, 2019 war unser bislang bestes Jahr.“ Das Neumarkter Lichtspielhaus gehört zur Cineplex-Gruppe, einem Bündnis aus 30 familiengeführten Kinobetrieben mit rund 90 Spielstätten – auch das gibt in der aktuellen Phase einen gewissen Rückhalt.
An leinwand-tauglichen Spielfilmen würde es im Grunde nicht mangeln: Seitdem das Covid-19-Virus durch die Welt geistert, wurden zwar laufende Dreharbeiten in Hollywood und anderen „Traumfabriken“ gestoppt oder verzögert – doch zahlreiche abgeschlossene Produktionen, deren Kinostarts für 2020 vorgesehen waren, verschwanden erst mal in den Tresoren ihrer Verleihfirmen. Nur vereinzelt feierten Filme ihre Premiere nicht auf großen Leinwänden, das Remake von „Mulan“ und der Animationsstreifen „Soul“ wurden z.B. gleich auf Streaming-Plattformen veröffentlicht – für die meisten hochwertigen Produktionen galt dies bislang eher als Zweitverwertungs-Kanal.
Christoph Gumpert befürchtet jedoch in näherer Zukunft keine allzu großen Einbußen durch Filmkonsum über das Internet – zahlreiche Streifen mit Kassenknüller-Potential werden aktuell zurückgehalten, um zu einem späteren Zeitpunkt wirklich im Kino starten zu können. „Wenn es wieder losgeht, werden vermutlich erst mal einige kleinere und mittelgroße Produktionen anlaufen. Wenn dann sicher ist, dass wieder normal Kinoprogramm gemacht werden kann, kommen nach und nach die Blockbuster dazu“, so die Prognose des erklärten Filmfans und -sammlers. Eines der „Opfer“ der aktuellen Verzögerungstaktik der Verleihfirmen ist der Agent im Geheimdienst seiner Majestät: Der neue James-Bond-Film „Keine Zeit zu sterben” hätte bereits Anfang des letzten Jahres starten sollen, der Veröffentlichungstermin wurde nun mehrmals verschoben – Brancheninsider sprechen inzwischen von Herbst 2021.
Doch anders als Weine, welche durch längere Lagerung reifen, sind inzwischen Teile des fertiggestellten Filmes so „antiquiert“, dass laut der britischen Zeitung „Sun“ einzelne Szenen nachgedreht werden sollen. Das liegt nicht etwa am natürlichen Alterungsprozess der Darsteller, sondern am „Product Placement“: Hersteller von Uhren, Fahrzeugen und Co. machen millionenschwere Blockbuster durch Zuschüsse möglich und lassen ihre Produkte mehr oder weniger prominent in den Filmwelten auftauchen. Einige der bei 007 gezeigten Artikel wurden auf dem Markt inzwischen aber schon durch neuere Modelle ersetzt, welche auf Wunsch der zahlenden Firmen natürlich im Film zu sehen sein sollen. Solange Bond „Keine Zeit zu sterben“ hatte, hatten sie schließlich auch „Keine Zeit zu werben“.