Aktionstag lud zum Dialog
Mietwohnungen und Baugrund sind Mangelware – und das nicht nur in den großen Ballungszentren wie Berlin, München oder Stuttgart. Auch kleinere Städte mit intakter Infrastruktur sind als Domizil heiß begehrt. Und das sorgt für sozialen Sprengstoff. Hat die Politik nicht rechtzeitig reagiert, sich keine Vorkaufsrechte gesichert und „Betongold“-Spekulanten Tür und Tor geöffnet? Das fragten sich am Freitag Gewerkschaften, Mietervereine und verschiedene Initiativen bei der bundesweiten Aktion „Wohnen muss bezahlbar sein“. In über 50 Städten legten sie den Finger in die Wunde und forderten einen sechsjährigen Mietenstopp sowie ein preislimitiertes Vorkaufsrecht für Kommunen. In Neumarkt schloss sich der DGB Kreisverband Neumarkt mit einem Infostand am Rathausplatz und der Möglichkeit zum Dialog an.
Wohnen als Luxusgut?
Schon jetzt gelten viele Menschen als schwer gebeutelt durch Inflation und hohe Energiepreise. Politik und Verantwortliche haben bereits vor Jahren versäumt, gegenzusteuern und für genügend Wohnraum zu sorgen. Wobei der vielzitierte Begriff „bezahlbarer Wohnraum“ durchaus Interpretationsspielraum bietet – bei manchen Zeitgenossen herrschen teilweise auch unrealistische Vorstellungen, wie groß bzw. klein der Teil des monatlichen Einkommens sein sollte, der in den Bereich „Wohnen“ fließt. Auch das sorgt – zusammen mit überhöhten Ansprüchen – immer mal wieder für Rufe nach „erschwinglichem“ Wohnraum.
Die Kampagne „Mietenstopp“ präsentiert folgende Zahlen: In Neumarkt sind die Mieten in den letzten sechs Jahren um 24,6 Prozent gestiegen. Während 2016 für einen Quadratmeter noch 7,39 Euro zu zahlen waren, mussten Anfang 2022 bereits 9,21 Euro gezahlt werden. “Nur wer Glück hat, darf sich heutzutage noch über eine Zweizimmer-Wohnung unter 500 Euro Kaltmiete freuen – wobei natürlich Lage, Größe und Zustand eine Rolle spielen“, schildert die Neumarkter Immobilienkauffrau Sonja Lautenschlager ihre Beobachtungen der Marktsituation. Dennoch lägen die reellen Mietpreise in der Jurastadt vielerorts noch etwas unter dem offiziellen Mietspiegel.
Auch im Landratsamt Neumarkt macht sich die Entwicklung bemerkbar: Die Zahl der Wohngeldanträge hat sich im September 2022 im Gegensatz zum Vorjahr um 100% erhöht. 360 Wohngeldempfänger verzeichnet das Amt aktuell. „Allerdings sind derzeit 290 Wohngeldanträge noch nicht verbeschieden“, betont Bastian Hiltl vom Sachgebiet Soziale Angelegenheiten. „Aufgrund der neuen Wohngeldreform, welche im Januar 2023 in Kraft tritt, rechnen wir im Landkreis Neumarkt bald mit einer Verdreifachung der Wohngeldempfänger.“
Obwohl es zur Schaffung von mehr Wohnraum viele akzeptable Ideen gibt, scheitert es oft bei der Umsetzung oder geltenden Richtlinien. Leerstehende Büroflächen und Industriehallen, vereinzelte Flachdächer von Industriehallen und Supermärkten – all das sind ungenutzte und brachliegende Quadratmeter, für die weder Grund noch Boden erworben bzw. Grünflächen verringert werden müssten.