Stereotypen-Kritik am Dietfurter Chinesenfasching
Ein Kommentar von Ulrich Badura
Erst vergangene Woche trieb eine große deutsche Boulevardzeitung eine Sau durchs Dorf, auf die manch anderes Medium prompt aufsprang. Von einem „Shitstorm“ war da stellenweise die Rede – ein Begriff, den sich die Welt vor kurzem kulturell aneignete, vermutlich weil die Phrase „Sturm im Wasserglas“ zu ehrlich klang…
Was war passiert? Bereits im Oktober hatte eine Nutzerin der Online-Plattform TikTok ein rund 50-sekündiges Video veröffentlicht, in welchem sie „tausende Weiße“ kritisiert, die „ihre Gesichter gelb anmalen und sich als chinesische Menschen ausgeben“. Dabei zielt sie natürlich auf den Dietfurter Chinesenfasching ab. Die besagte Dame ist asiatischer Abstammung, spricht jedoch Deutsch und trägt ein bauchfreies Oberteil, wie es amerikanische Teenager populär machten – zumindest diese beiden letzten Komponenten muss sie sich wohl angeeignet haben, aus der Jahrtausende alten chinesischen Kultur stammen sie eher nicht.
„Auch wenn es viele Teilnehmende ohne böse Absicht tun […] sowas täuscht darüber hinweg, dass ostasiatische Menschen noch immer rassistische Gewalt erfahren“, kritisiert die junge Frau die Faschingsveranstaltung. Doch tut es das wirklich? Fakt ist: Noch nie wurde am “Unsinnigen Donnerstag“ ein Plakat durch Dietfurt getragen mit der Aufschrift „Alles perfekt auf diesem Planeten!“ Prinzipell dient Karneval ja eher dazu, unter dem Deckmantel des Narrentums Mißstände anzuprangern – wobei hier der bayerische Fasching im Vergleich zum rheinischen Pendant eher handzahm ausfällt.
In der Sieben-Täler-Stadt spielt man in der fünften Jahreszeit zwar mit mehr oder weniger authentischen Versatzstücken der chinesischen Kultur, doch der offizielle Name „Bayrisch-China” zeigt schon: Niemand erhebt hier ernsthaft den Anspruch, das tatsächliche China zu repräsentieren. Letzteres gilt schon eher für die Veranstaltungsreihe „Bayrisch-Chinesischer Sommer“, bei welcher alljährlich an der Altmühl echte chinesische Bräuche präsentiert und z.B. Sprachkurse angeboten werden. Ein Programm dieser Art ist auch deswegen möglich, weil Dietfurt seit vielen Jahren Kontakte in das „Reich der Mitte“ pflegt und dessen Einwohner nicht nur zum hiesigen Fasching einlädt. (Dabei konnten übrigens schon manche Chinesen beobachtet werden, wie sie sich Oberpfälzer Spezialitäten kulinarisch aneigneten.)
Von regionalen Politikern wurde das Online-Video unter anderem mit „hysterischer Schmarrn“ und „völliger Blödsinn“ kommentiert, die Stadtspitze von Dietfurt verwies außerdem auf die langjährigen Freundschaften mit echten Asiaten. Ganz neu ist das Thema indes nicht: Schon in jüngerer Vergangenheit fragten verschiedene Medien, wie viel „cultural correctness“ im Fasching gepflegt werden sollte. Dabei ging es vor allem um populäre Verkleidungen als Indianer oder Ureinwohner Afrikas – letztere wurden regelmäßig durch Schwarzfärben des Gesichts („Blackfacing“) dargestellt.
„Unsere Lebensrealität und Hautfarbe ist kein Kostüm, das wir einfach ablegen können“, kritisiert die TikTok-Nutzerin weiter. Doch etwas anderes als eine Melange aus Kostümen und guter Laune wollte der Chinesenfasching nie sein. Definitiv keine authentische Kopie einer asiatischen Kultur, eher eine närrische Parodie. Und was schon Konfuzius wusste: Jede Parodie – egal wie gut sie das Original trifft – ist immer auch ein klein wenig Ehrerbietung.