Spielregeln in den Köpfen ändern
„Es gibt keine klassische Mädchen- oder Jungenberufe“, ist Wolfgang Bernreuther überzeugt, „nur geeignete Berufe für geeignete Jugendliche.“ Mit dieser Ansicht ist der Berufsberater bei der Agentur für Arbeit und überregional bekannte Bluesgitarrist nicht allein. Auch Stefanie Lehmeier, Obermeisterin der Bäckerinnung Neumarkt, erteilt der klischeehaften Geschlechtertrennung in der Job-Welt eine Absage: „Die Tür zum Handwerk steht jedem offen.“ Diese beiden Aussagen sind Teil einer digitalen Kampagne, bei der Vertreter von Politik, Institutionen, Firmen und Einrichtungen die Gleichberechtigung auch unter monetären Gesichtspunkten thematisieren.
Am 10. März fand der sogenannte Equal Pay Day statt, welcher darauf hinweisen will, dass auch 2021 noch immer spürbare Unterschiede auf den Gehaltszetteln von Männern und Frauen herrschen. In seiner heutigen Form wird der Aktionstag bereits seit 2009 in Deutschland durchgeführt, üblicherweise Mitte März eines Jahres. Das Datum markiert eine gewisse Grenze – den Tag im Kalender, bis zu welchem Frauen quasi umsonst arbeiten, während die Männer bereits seit dem 1. Januar für berufliche Tätigkeiten bezahlt werden. Basis für diese zugegebenermaßen etwas sperrige Gedankenspielerei sind offizielle Bundestatistiken zu Durchschnittseinkommen der Deutschen, denen zufolge Frauen einem geschlechtsspezifischen „Entgeltunterschied“ von 18 Prozent unterliegen.
Nun wurde der Aktionstag von Mitte des Monats auf den 10. März vorverlegt – ein Zeichen dafür, dass sich die Differenz in den letzten Jahren etwas verringert hat. Dennoch ist nach wie vor eine Lücke vorhanden, unter anderem aufgrund struktureller Unterschiede: Viele Frauen erlernen Berufe, welche schlechter bezahlt sind, arbeiten seltener in Führungspositionen und häufiger in Teilzeit oder in Minijobs. Doch selbst wenn man diese Faktoren herausrechnet, bleibt bei Frauen und Männern, welche in gleichen Positionen gleich viel arbeiten, eine Lohnlücke von rund sechs Prozent. Der Equal Pay Day, sinngemäß übersetzt der „Tag der gleichen Bezahlung“, soll auf diesen Zustand aufmerksam machen – der Landkreis Neumarkt startete in diesem Rahmen die obengenannte Kampagne „Game Changer“, welche u.a. auch Finanz- und Heimatminister Albert Füracker, Dekanin Christiane Murner und Landrat Willibald Gailler zu Wort kommen lässt.
Manche der auf den Onlineanzeigen gedruckten Statements betonen nur, dass Bezahlung nicht vom Geschlecht des Arbeitnehmers abhängig sein darf, andere erwähnen konkrete Lösungsansätze, um die Lohnlücke kleiner werden zu lassen. Noch immer unterbrechen bzw. reduzieren Frauen ihre Erwerbstätigkeit für die Erziehung des Nachwuchses oder die Pflege von Angehörigen häufiger und länger als Männer. Diese „Fehlzeiten“ und darauffolgende (Wieder-)Einstiegshemmnisse haben Einbußen bei Lohn- und Einkommensentwicklung zur Folge, was sich bis in die Rentenphase auswirkt.
Damit dieses traditionsverankerte „Spiel“ anders läuft, sind nicht nur Anpassungen von Gehältern nötig, sondern letztendlich auch Modifikationen von bisherigen Rollenbildern. „Mein Mann und ich haben die klassischen Rollen (Beruf / Erziehung) getauscht und möchten damit junge Paare ermutigen“, verrät Kampagnenteilnehmerin Silvia Burger-Sippl. Echtes „Gamechanging“ beginnt also im Grunde auch in den Köpfen.